Faktencheck durch Dietmar Göttling, Stadtverordneter
Im Stadtparlament gab Thomas Spies schnell klein bei. 3.000 Wohnungen seien natürlich seit 2011 gebaut worden, nicht erst seit seinem Amtsantritt im Dezember 2015. Das nämlich hatte er mehrfach öffentlich behauptet. Das Statistische Landesamt überführte den Übertreiber, dem dies offensichtlich nicht aufgefallen sein wolle. Leider verweigerten alle Fraktionen im Stadtparlament – auch die LINKE – die Aufklärung dieses Skandals.
Nachfolgend die in der Stadtverordnetenversammlung gehaltenen Rede vom 29.01.21:
Ein Schelm wer an Absicht dabei denkt, wenn Zahlen umso besser werden je näher der Wahltermin rückt. Die angeblich hervorragend geleistete Arbeit in der abgelaufenen Wahlperiode soll sich ja auch in Zahlen, d.h. in Fakten ausdrücken, um die Wähler*innen zu beeindrucken. Dass sowas auch schieflaufen und zum Boomerang werden kann, sehen wir gerade bei der vorgelegten Bilanz des Wohnungsbaus der SPD und von Thomas Spies.
Auf der Homepage der SPD-Fraktion Marburg schreibt der damalige sozialpolitische Sprecher der SPD, Uli Severin am 14. Oktober des vorherigen Jahres:
„Noch nie wurden in der Nachkriegsgeschichte Marburgs in so kurzer Zeit so viele Neubauten erstellt: Seit 2016 mehr als 2.000 Wohnungen. Für Menschen mit niedrigem Einkommen bauten verschiedene Träger 424 neue Sozialwohnungen“
Aber diese Erfolgsmeldung reichte noch nicht, es geht noch besser: In der Broschüre Erfolgsbilanz 2011- 2016 der SPD-Fraktion erschienen keine zwei Monate später im Dezember heißt es:
„2.800 Wohnungen sind schon entstanden – weitmehr als womit gerechnet wurde.“
… über 400 Sozialwohnungen wurden seit 2016 gebaut…
Da reibt sich der politische Beoabachter schon die Augen und fragt mit gewisser Skepsis: Kann es sein, dass in der Zeit wirklich schon so viele Wohnungen baufertiggestellt worden sind? Das wäre dann in der Tat eine anerkennenswerte und hervorragende Leistung.
Aber nicht genug, diese grandiose Erfolgsbilanz wird noch getoppt.
Thomas Spies, der stets betont, dass gegen fehlende Wohnungen nur „Bauen, Bauen , Bauen“ hilft, setzt beim Neujahrsempfang Mitte diesen Monats noch einen drauf und stellt auch den richtigen Zusammenhang zu sich als „Oberbaumeister“ her. Jetzt werden es noch mehr fertiggestellte Wohnungen, fast 3000.
Zitat: „1600 neue Wohnungen waren vor fünf Jahren versprochen. 2950 sind es geworden, darunter gut 500 Sozialwohnungen.“
Er behauptet also, sein Versprechen gehalten den Bau von 1.600 Wohnungen nicht nur gehalten zu haben – was man bei anderen Versprechen, z.B. der kostenlosen Betreuung der U3 Kinder nun nicht sagen kann –, sondern sogar verdoppelt zu haben.
Hiermit wird der Anschein erweckt und versucht ein Narrativ zu definieren: Thomas Spies sei der Richtige, der nicht nur Probleme löst, sondern einer ist, der wenn er etwas anpackt, sogar weit über das normale Maße, geradezu überdimensionales schafft.
Diese gewaltige Leistung, die Dynamik in der Menge der baufertigstellten Wohnungen binnen einiger Wochen hat uns doch dazu verleitet, diese Aussagen einem Faktencheck zu unterziehen. Das Ergebnis war schockierend und auch ernüchternd, denn die Aussagen stimmen nach unseren Informationen und Berechnungen hinten und vorne nicht.
Den behaupteten 2.950 neu gebauten Wohnungen stehen laut Auskunft des hessischen statistischen Landesamtes in den Jahren 2015 bis 2019 lediglich 1.440 baufertiggestellte Wohnungen (das sind knapp weniger als die Hälfte) entgegen. Den 500 Sozialwohnungen, die in der Amtszeit des OBs gebaut seien sollen, stehen nach unseren Berechnungen nur 364 Sozialwohnungen entgegen, wovon 349 vor der Amtszeit des Oberbürgermeisters geplant und verhandelt worden sind. Das heißt, mit gerade einmal 15 Sozialwohnungen kann sich der Oberbürgermeister und die SPD-Fraktion schmücken.
Insbesondere beim Problemfeld Wohnen, wo enormer Handlungsbedarf besteht, ist das Agieren mit falschen Zahlen zur persönlichen oder parteilichen Profilierung nicht nur ärgerlich – abgesehen vom unanständigem Stil im Wettbewerb mit anderen Kandidat*innen und Parteien um Wähler*innenstimmen – sondern auch politisch schädlich: Denn es führt zu einem enormen Glaubwürdigkeitsverlust der Politik insgesamt.
Daher muss der Magistrat unverzüglich die falschen Zahlen in seinen Kommunikationsmedien korrigieren. Thomas Spies wird eindringlich aufgefordert sich an die Faktenwahrheit zu halten und scharf dafür kritisiert, dass er in einem so zentralen Feld der städtischen Daseinsvorsorge falsche Zahlen in Umlauf bringt.
Zur Aufklärung der Öffentlichkeit erscheint es uns auch dringend geboten, die tatsächlichen Zahlen öffentlich zu machen und auch darzulegen, für welchen Teil der im Zeitraum 2015 bis 2019 errichteten Wohnungen bereits zum Zeitpunkt des Amtsantritts des Oberbürgermeister Baugenehmigungen erteilt waren.
Stimmen Sie der Aufforderung zur Korrektur der falschen Zahlen in den Medien zu und fordern Sie mit uns auch die Beantwortung der offenen Fragen.
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