Altenpflege zeitgemäß, was können wir aus der Coronapandemie lernen?

Von Erika Richter, Ärztin, Vorstandsprecherin von Bündnis90/Die GRÜNEN

Die bisherigen Erfahrungen und Erkenntnisse im Kontext von COVID-19 machen deutlich, dass unser Pflegesystem wenig krisenfest ist. Zwei Drittel der Todesfälle an COVID-19 betreffen Menschen, die in Altenheimen leben. Damit diese Gewinne abwerfen wurden die Pflegeheime zu Massenunterkünften, so beschreibt es die Pflegewissenschaftlerin Gabriele Meier von der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg jüngst in einem Spiegelbeitrag.

Die Pflege und Betreuung einer großen Zahl alter, besonders vulnerablen Menschen auf engem Raum, erweist sich in Zeiten einer Ausbreitung hoch ansteckender Krankheiten wie in der COVID-19-Pandemie, als Falle. Was zur Folge hatte und hat, dass die Bewohner im Falle eines positiven Tests aus ihrem vertrauten Umfeld gerissen und auf Quarantänestationen verlegt werden. Dies wird besonders von Demenz betroffenen Menschen als äußerst bedrohlich erlebt.

In kleinen, sozialräumlich verankerten Pflegewohngruppen oder Wohngemeinschaften kann beim Auftreten von Infektionen viel gelassener reagiert werden, weil die Situation schneller in den Griff zu bekommen ist, da weitaus weniger Personen betroffen sind. Auch können die Menschen in diesen kleinen Einheiten im Krankheitsfall besser gepflegt und umsorgt werden.

Wir Grünen fordern daher, dass beim Bau von Pflegeeinrichtungen deutlich mehr auf Pflege- und Lebensqualität geachtet wird und die Frage der Rentabilität nicht allein ausschlaggebend ist. Daher kommt der Kommune eine zentrale Rolle zu, wenn es um eine bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgungslandschaft geht.

Ein Beispiel für eine kleine, wohnortnahe Einrichtung für pflegebedürftige Menschen ist das geplante Projekt im alten Pfarrgarten in Cappel. Hier entsteht eine Pflegeeinheit für 10 Menschen, die wohngemeinschaftsartig zusammen leben. Die Menschen bleiben im Quartier, sind weiter Bestandteil des sozialen Umfelds und können, soweit es ihnen möglich ist, am Leben im Stadtteil teilnehmen.

Doch immer noch leben die meisten alten Menschen zu Hause (76%). Für die Grünen sollte dies auch immer die erste Wahl sein – ambulant vor stationär. 65% dieser Menschen werden ausschließlich durch Angehörige versorgt. Doch trotz gesetzlicher Verbesserungen ist die Situation für pflegende Angehörige häufig nach wie vor belastend. Immer noch sind es in erster Linie Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit aufgeben oder zurückstellen. Lange Pflegezeiten können daher ein Risiko für Altersarmut sein.

Die hohen Belastungen führen in vielen Fällen zu physischen und psychischen Beschwerden, insbesondere, wenn Unterstützungs- und Entlastungsangebote nicht genutzt werden können.

Sowohl im ambulanten Setting als auch in den stationären Einrichtungen sollte gelten:

Gute Pflege braucht zufriedene Pflegekräfte. Ganzheitliche Pflege und Zeitdruck passen nicht zusammen!