Frau Stadtverordnetenvorsteherin, meine Damen und Herren, liebe Gäste,
uns liegt heute ein Haushalt zur Abstimmung vor, den wir bereits kennen und den wir GRÜNE schon vor einem Jahr abgelehnt haben, da wir schon damals der Überzeugung waren, dass dieser Haushalt nicht geeignet ist, den Herausforderungen, die sich unserer Stadt stellen, zu begegnen.
Dieser Haushalt bleibt wie schon sein Vorgänger Antworten und Lösungen schuldig und macht Marburg nicht zukunftsfest, obwohl doch die Herausforderungen nicht weniger werden!
In den vergangenen Jahren haben wir viele Ankündigungen, viele Worte gehört, denen jedoch kaum Taten gefolgt sind.
Ein Beispiel ist der Marburger Klimaaktionsplan, der zwingend notwendige Ziele beschreibt, jedoch völlig offen lässt, wie insbesondere die Klimaneutralität bis 2030 erreicht werden soll. Konkrete Maßnahmen oder gar Prioritäten, geschweige denn einen Zeitplan findet man in diesem Werk nicht.
Das, meine Damen und Herren, ist mehr als enttäuschend und fatal, denn Papier ist ja – wie man so sagt – geduldig und hunderte Seiten Text alleine schaffen noch keine Klimaneutralität.
Es braucht seitens des Magistrats eine Idee zur Umsetzung. Diese sind Sie bislang – wohl aus Kalkül – schuldig geblieben, um niemanden zu verärgern. Dabei ist ein klarer Fahrplan wesentlich, um die Herausforderungen – von der Verkehrswende über den Ausbau erneuerbarer Energien, gerade auch der Windkraft, bis hin zum Naturschutz oder der Trinkwasserversorgung endlich anzugehen! Die Zeit drängt!
Zu allem Überfluss scheinen Sie die beschlossenen Ziele des Klimaaktionsplans, sobald es konkret wird, selbst gar nicht wirklich ernst zu nehmen. Beispiel: Stadtentwicklung.
Dogmatisch tragen Sie das „Bauen, Bauen, Bauen“ vor sich her und glauben damit fatalerweise alleine die Wohnraumprobleme in dieser Stadt lösen zu können. Zudem betonen Sie, Herr Spies, immer wieder ihren Willen, Marburg auf Kosten des Umlandes massiv wachsen lassen zu wollen.
Der dramatischen Flächenverbrauch, den diese Strategie mit sich bringt und seine Auswirkungen auf das Klima und die Biodiversität, scheinen Sie billigend in Kauf zu nehmen. Wer aber Klimaschutz ernst meint, der darf vom Flächenfraß nicht schweigen!
Bleiben wir beim Thema Stadtentwicklung:
Diese muss aus unserer Sicht endlich wieder sozial-ökologischen Leitideen und Strategien folgen, die Zukunft mitdenken und den wachsenden Herausforderungen endlich begegnen.
Erleben durften wir da in den vergangenen Jahren eher das Gegenteil. Der Versuch von SPD, CDU und BfM den Parkplatz am Afföller zum Höchstpreis zu verscherbeln anstatt diese letzte zentrale Fläche in städtischer Hand für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu nutzen, ist das wohl größte Negativbeispiel der letzten Jahre.
Doch auch ganz grundsätzlich ist die nachhaltige Gestaltung unserer Stadt in den vergangenen Jahren unter Rot-Schwarz völlig auf der Strecke geblieben. Lange geplante Maßnahmen, wie die notwendige Umgestaltung des Rudolphsplatzes sind dem unnötigen Sparkurs vor vier Jahren zum Opfer gefallen.
Auch die Weigerung hinsichtlich der Entwicklung des so wichtigen Pharmastandorts Görzhausen klare, gerade auch ökologische Schwerpunkte mit den Unternehmen, den Beschäftigten und den Anwohner*innen zu vereinbaren, ist enttäuschend. Hier ist mehr Kommunikation notwendig!
Vor allem aber müssen klare Ziele, gemeinsam festgelegt werden.
Die Gewerbeflächenentwicklung muss hier wie auch insgesamt ökologischer werden!
Mit der Stadtentwicklung untrennbar verbunden ist das Thema Wohnen, die soziale Frage unserer Zeit und ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen.
Die Coronakrise hat deutlich gemacht, wie zentral ein Dach über dem Kopf ist. Seit Jahren erleben wir ein dramatisch steigendes Mietniveau, dem diese Stadtregierung trotz des propagierten Baubooms, nicht begegnet ist.
Im Gegenteil!
Gerade unsere städtische GeWoBau wird sträflich vernachlässigt. Nach langem Ringen haben Sie sich auf unseren Druck hin zu einer Kapitalerhöhung durchgerungen, die aber bei weitem nicht ausreicht!
Ganze 12 preisgünstige Wohnungen hat GeWoBau in den letzten vier Jahren fertiggestellt. Eine skandalös niedrige Zahl! Insgesamt ist der soziale Wohnungsbau in Marburg zum Erliegen gekommen und das obwohl die Fördermittel des Landes so hoch sind wie noch nie zuvor!
Wir hingegen wollen die GeWoBau zum Flaggschiff einer sozial-ökologischen Wohnraumversorgung machen! Mit mehr finanziellen Mitteln für mehr sozialen Wohnungsbau und einer Mietendeckelung!
Neben dem Versagen bei der GeWoBau durften wir die Aushebelung eines weiteren zentralen Bausteins einer sozialen Wohnungspolitik erleben, nämlich der Sozialquote. Diese haben Sie, Herr Spies, für ein Investorenprojekt in der Eisenstraße einfach aufgehoben und letztlich für die Zukunft zur Verhandlungsmasse degradiert. Aus unserer Sicht ein fataler Fehler, denn anstelle einer Schwächung brauchen wir eine Stärkung der Sozialquote und eine Erhöhung auf mindestens 30 Prozent.
Auch den Kampf gegen Verdrängung oder Gentrifizierung, gegen Zweckentfremdung und Leerstand scheinen Sie in dieser Stadt nicht führen zu wollen. Dabei ist dies doch für die soziale Durchmischung unserer Quartiere, die wir ja alle wollen, so wichtig!
Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder Vorschläge dazu gemacht. Leider vergeblich.
Mehr möglich gewesen wäre auch beim Thema Jugend, insbesondere mit Blick auf das aktuelle Thema Northampton-Park. Hier wurde deutlich, dass die CDU wenig lösungsorientiert, aber dafür sehr laut daherkommt, um im Wahlkampf punkten zu können.
Wenige Wochen zuvor war der aktuelle Jugendbericht Thema in den Gremien. Der Bericht spricht viele Probleme und Herausforderungen an, nicht zuletzt das Thema der Freiräume und der Freizeitgestaltung von Jugendlichen.
Doch anstatt genau das ernst zu nehmen und sich sachlich dem Thema zu widmen, wurde von der CDU versucht, der Jugendpolitik mit Law & Order zu begegnen.
Dass wir in Weidenhausen über die Probleme mit Lärm und Verschmutzung reden und Lösungen finden müssen, steht völlig außer Frage.
Doch Spielplätze zu verlegen und wegzusperren verlagert Dinge nur, anstatt zu einer nachhaltigen Lösung beizutragen.
Es stellt sich außerdem die Frage, wo das Ganze noch hinführen soll? Wird jetzt perspektivisch mit allen Spielplätzen und auch Sitzbänken in der Innenstadt so verfahren? Mit den Bänken wurde ja am Brückchen in Weidenhausen bereits vor längerem begonnen. Wenn man die Sache weiterdenkt, führt das zu einem massiven Verlust von Aufenthaltsqualität für alle Menschen und zu einem öffentlichen Raum ohne Öffentlichkeit in dieser Stadt. Das kann doch nicht ernsthaft gewollt sein!
Vielmehr ist es nötig, die Betroffenen und den Ortsbeirat einzubinden und durch aufsuchende Sozialarbeit und Kontrollen zwischen den unterschiedlichen, aber gleichermaßen legitimen, Bedürfnissen nach Ruhe und Sauberkeit auf der einen sowie Freizeitgestaltung und Nutzung öffentlicher Räume auf der anderen Seite, zu moderieren.
Nicht gewollt sein kann auch ein Weiter so in der Schulpolitik.
Diese ist seit vier Jahren geprägt von BiBaP. Einem Paket mit – wie üblich – wenig Inhalt, aber einer umso größeren Show drum herum.
Wenig Inhalt, weil die Mittel im Vergleich zu der Zeit davor, effektiv gesenkt wurden. Wir haben uns mal die Mühe gemacht und das ausgerechnet.
Zu allem Überfluss deckt BiBaP auch die Bedarfe der Schulen nicht.
So manche Schule muss sich da zwischen naturwissenschaftlichen Räumen und einer Sporthalle entscheiden. Und das in der Sportstadt Marburg!
Es herrscht eine große Unzufriedenheit unter den Marburger Schulen was die so dringend nötigen Investitionen in die Infrastruktur betrifft.
Die Schulgemeinden müssen endlich gehört werden und die Marburger Schulpolitik an den realen Bedürfnissen ausgerichtet werden!
Gleiches gilt auch für die Verkehrspolitik. Viele Menschen wollen ein besseres ÖPNV-Angebot, sichere Radwege und attraktive Gehwege.
Unzählige Ideen und Konzepte zur Zukunft der Marburger Mobilität existieren seit Jahren von zivilgesellschaftlicher, gewerkschaftlicher und studentischer Seite. Sie alle bleiben aber ungehört und werden nicht ernst genommen!
Stattdessen wird durch immer neue Konzepte, Pläne und Studien die notwendige Verkehrswende weiter verzögert.
Konkret wurden Sie in den letzten Jahren lediglich beim Straßenbau – wie der Allnatalweg und der Behringtunnel beweisen – und damit genau an der Stelle, die eben nicht zum Gelingen der Verkehrswende beiträgt.
Die Lösungsmöglichkeiten liegen aber doch so nah, bleiben aber umso umgehörter: Beim ÖPNV muss endlich mehr geschehen als kleine, symbolische Änderungen, die oft auch eher als Verschlimmbesserungen daherkommen. Beispielhaft ist hier die als großer Wurf verkaufte, neue Linie 27, die bei näherem Hinsehen allerdings nur alter Wein in neuen Schläuchen ist und nicht das notwendige Mehr an Angeboten auf die Lahnberge schafft.
Was wir stattdessen brauchen sind klare Taktungen in die Stadtteile und an den Wochenenden, endlich eine bessere Anbindung der Außenstadtteile und ganz besonders der Pharmastandorte und der Lahnberge!
Hier ist mit einfachen Mitteln viel möglich und es ging ja an so manchen Stellen schon! Kleine Punkte wurden ja schon angegangen, primär aber wohl, um hübsche Bilder zu produzieren und Tätigkeit zu suggerieren.
Das ist aber deutlich zu wenig und hier zeigt sich das grundsätzliche Problem der rot-schwarzen Verkehrspolitik: Viele Bilder und Schlagzeilen, aber wenig Substanz.
Unser GRÜNES Ziel dagegen ist es, die Angebote zu schaffen und die Maßnahmen anzugehen, die sich viele Menschen wünschen und die für die Verkehrswende nötig sind.
Wir wollen dabei mutig vorangehen und Dinge auch mal testen, vor allem aber nicht die Menschen unter Druck setzen, sich erst mal eine bestimmte Anzahl an Fahrkarten kaufen zu müssen, bevor was passiert.
Zudem wollen wir die Verkehre stärker vernetzen, z.B. an zentralen Knotenpunkten wie die Verkehrsknoten Mitte an der alten UB und Nord am Afföller.
Mehr tun statt viel Symbolik sollte auch die Devise beim Radverkehr sein!
Anstelle eines Ausbaus und der Schaffung sicherer Radwege, auch durch bauliche Veränderungen, wird Radverkehrspolitik mit dem Farbeimer betrieben. Die guten und richtigen Maßnahmen aus dem Radverkehrsplan werden hingegen, wenn überhaupt, nur schleppend umgesetzt und einer klaren Prioritätensetzung wird sich verweigert. Das ist einfach zu wenig! Zudem wurden wichtige Projekte wie die Radbrücke am Afföller oder die Radanbindung des Richtsbergs ohne Not und trotz üppiger Fördergelder des Landes gecancelt und damit wichtige Chancen vertan!
Meine Damen und Herren, eine Wahlperiode geht zu Ende, doch die Herausforderungen nehmen erst ihren Anfang. Dieser Haushalt zeigt, dass diese rot-schwarze Regierung mit Thomas Spies an der Spitze sich all dem nicht zu stellen vermag und keine Visionen für die Zukunft dieser Stadt hat. Über Ankündigungen und Phrasen hinaus, mit denen aus Kalkül versucht wird, Stimmungen aufzugreifen, bleibt nicht viel Konkretes zu sehen.
Die Marburger Stadtgesellschaft ist da deutlich weiter und hat mehr verdient.
Finanzpolitisch geht diese Wahlperiode immerhin nicht ganz so dramatisch zu Ende wie sie begonnen hat, auch wenn die Nachwirkungen der unnötigen Sparmaßnahmen vor vier Jahren an vielen Stellen noch immer bemerkbar sind. Große Verunsicherung wurde damals fahrlässig erzeugt und so mancher Etat der freien Träger ist bis heute nicht auf dem Niveau von vor 2017.
Vor allem aber haben Sie die Entwicklung dieser Stadt aus reinem Machtkalkül heraus nachhaltig gehemmt und viele Probleme überhaupt erst geschaffen, die sich nun umso deutlicher zeigen.
Marburg braucht mehr als all das.
Der Rückblick auf die letzten vier Jahre und dieser Haushalt zeugen davon, dass dieser OB und diese rot-schwarze Regierung die Herausforderungen nicht anpacken können oder wollen. Immer weiter nur darüber reden reicht aber nicht! Denn mit Reden alleine lässt sich kein Klimaschutz betreiben, die Verkehrswende nicht gestalten, Bildungsgerechtigkeit nicht schaffen und die soziale Frage des Wohnens nicht beantworten.
Der Schuh drückt an so vielen Stellen und die Zeit drängt!
Daher braucht Marburg dringend den Wechsel!
Vielen Dank.
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