Mobilität in Marburg klimafreundlicher und komfortabler gestalten

Rede des Stadtverordneten Lukas Ramsaier zum Haushalt 2024

©Sabine Matzen

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Gäste,

eine Haushaltsrede mit Schwerpunkt Mobilität zu schreiben, war vermutlich noch nie so schwierig, wie in diesem Jahr. Über allem schwebt das große MoVe35. Nicht nur, weil es omnipräsent und bisweilen monothematisch in der Öffentlichkeit daherkommt, sondern auch, weil es eben eine Menge Einzelmaßnahmen beinhaltet. 77 an der Zahl. Da ist es schwer, nochmal 77 weitere Einzelmaßnahmen in den Haushalt zu packen, wenn MoVe35 so viel abdeckt und anderseits ja auch DAS Leitprogramm bis 2035 darstellen soll.

Dennoch gibt es Punkte, die uns als Koalition wichtig waren, die es trotzdem in diesen Haushalt geschafft haben und die klarmachen, dass wir immer an Mobilität denken. Ich möchte betonen, dass es nicht nur noch MoVe35 gibt, sondern dass wir stetig versuchen, die Mobilität in Marburg klimafreundlicher und komfortabler zu gestalten – auch mit vielen kleinen Schritten.

Dennoch gibt es Punkte, die uns als Koalition wichtig waren, die es trotzdem in diesen Haushalt geschafft haben und die klarmachen, dass wir immer an Mobilität denken. Ich möchte betonen, dass es nicht nur noch MoVe35 gibt, sondern dass wir stetig versuchen, die Mobilität in Marburg klimafreundlicher und komfortabler zu gestalten – auch mit vielen kleinen Schritten.

Ein Punkt, der sich für mich persönlich hervorhebt, ist etwas, dass in anderer Form mittlerweile bereits in der Stadt eine Selbstverständlichkeit ist: Überall in der „engen Stadt zwischen zwei Bergen“ – wie sie der OB gerne nennt – stehen die Nextbikes – vom tiefsten Wehrda bis zum Unteren Richtsberg – welche allseits beliebt sind und insbesondere auf kurzen Strecken und dann, wenn kein Bus mehr fährt, flexible und nachhaltige Mobilität ermöglichen. Selbst unseren eben zitierten Oberbürgermeister habe ich schon im Anzug auf nem Nextbike sitzen gesehen.

Nicht nur für die Studierenden sind die Fahrten hierbei via Semesterbeitrag in der Regel gratis, sondern auch für alle Marburger:innen und ihr Gäste sind die ersten 30min stets gratis – dank der finanziellen Förderungen dieser Fahrten durch die Universitätsstadt. Angefangen 2019 mit einer jährlichen Summe von 50.000 €, für 2024  ist der Haushaltsansatz mit 93.000 € nahezu doppelt so hoch. Dieses erhöhte Engagement spiegelt sich bereits seit diesem Herbst in vielen neuen Stationen und einer enormen Erhöhung der Fahrradzahl wider, die sich spätestens mit Beginn der wärmeren Monate sehr auszahlen dürfte. Schließlich dürfen wir in Marburg stolz sagen, dass wir weltweit unter den TOP-Destinationen von Nextbike sind, was die Anzahl der Ausleihen je Rad angeht – vor vielen Metropolen; Marburg an der Spitze!

Da ist es unserer Ansicht nach nur konsequent, in diesem Haushalt weitere Gelder bereitzustellen, welche ein zweites System nach Nextbike-Art aufbauen sollen. So ist es der Plan, ein ebenfalls stationsbasiertes, kommerzielles Ausleihsystem von Lastenrädern aufzubauen. Dies ist nicht als Konkurrenz zum bereits bestehenden Verleihsystem der „Freien Lasten“ gedacht, sondern eher als Ergänzung bzw. Erweiterung. Während die Freien Lasten auch sehr in den Außenstadtteilen wirken und die Räder eher tageweise verleihen, soll das neue System eher einer kürzeren, spontaneren Leihe dienen. Also weniger für den Umzug übers Wochenende, sondern um mal kurz aus der Innenstadt zum Baumarkt zu fahren; oder die Getränkekisten für die Party heute Abend nach zuhause zu transportieren. Hier schaffen wir eine neue Möglichkeit für Menschen, die gerne mehr auf ihr Auto verzichten würden, aber es bei bestimmten Anlässen eben bislang nicht tun konnten, weil ihnen die Transportmaße für ein normales Fahrrad zu viel war. Und das ist unser Ansatz! Wir sind eben keine reine Autoverbieter, wie es die Opposition zuletzt gerne mal dargestellt hat, sondern wir schaffen gleichzeitig auch Alternativen!

Und das gilt ganz insbesondere auch für MoVe35! Der Nahverkehrsplan, welcher aus rechtlichen Gründen ausgelagert werden musste und bereits beschlossen ist, setzt neue Maßstäbe für den ÖPNV in Marburg. 30min-Takt in die Außenstadtteile, täglich durchgängiger Betrieb aller Kernstadtlinie auch abends und am Wochenende, faktische Abschaffung kleiner ASTs sowie eine neue Schnellbuslinie auf die Lahnberge und Vieles mehr! Hier werden Alternativen geschaffen für Menschen, sich klimafreundlicher durch unsere wunderschöne Stadt zu bewegen. Die in diesem Haushalt eingestellte Summe ist zwar geringer als sie es in den vergangenen beiden Haushaltsjahren war, aber dennoch weiterhin auf einem hohen Niveau. Dieses Jahr konnten nur ganz kleine Neuerungen umgesetzt werden, weil der Nahverkehrsplan ja quasi noch druckfrisch ist. Höher wird die Zuweisung an die Stadtwerke dann definitiv in den kommenden Jahren werden, wenn die großen Pläne des Nahverkehrsplans finanziert werden müssen. Und hier wollen wir als Grüne Wort halten! Die Menschen können sich darauf verlassen, dass wir eben jene Alternativen zum MIV auch wirklich bereitstellen wollen. Scheitern kann es höchstens an den Busfahrer:innen, auch wenn wir hier – und hier insbesondere unsere Bürgermeisterin Nadine Bernshausen – sehr bemüht sind, neue Lösungswege aufzuzeigen, wie wir das hinbekommen. An den Finanzen soll es jedenfalls nicht scheitern! Das muss es uns wert sein! Der Nahverkehrsplan ist kein Stück Papier, dass nur zum Spaß oder aus rechtlichen Pflichterfüllungsgründen mit guten Ideen befüllt wurde.

Apropos Alternativen für den ÖPNV: Mit erstmals eingestellten Geldern für einen autonomen Probebetrieb von ÖPNV-Fahrzeugen – Projekt „Autonomes Fahren Richtsberg“ – wollen wir neue Innovationen ausprobieren, die uns in Zukunft beim Ausbau des ÖPNV-Angebots noch eventuell sehr nützlich sein können, bei einer Busfahrer:innenschaft in Deutschland, bei der rund ein Drittel bald ins Rentenalter kommt.

Thema ÖPNV-Ausbau: Es wird sicherlich wieder der laute Ruf der Linken und von Dietmar Göttling kommen, nach einem Gratis-ÖPNV. Hier lautet unsere Antwort stets: Angebot first! Das 49€- und 9€-Ticket mit ihren vielen Geschichten von überfüllten Zügen zeigen: Wir müssen zunächst das Angebot ausbauen. Erst dann kann man die Tariffrage in Richtung Gratis ÖPNV noch stärker stellen. Wir investieren lieber Geld in einen Taktausbau, in neue Busse. Und nein: Das ist nicht sozial ignorant: Mit dem Hessenpass-Plus können Empfänger:innen von Sozialhilfe mittlerweile für 31 € in ganz Deutschland herumfahren. Und auch der Stadtpass ist weiterhin ein wirkungsvolles Instrument. Es ist den Menschen auch nicht geholfen, wenn sie per se gratis fahren können, aber aus Finanzierungsgründen dann das Angebot zusammengekürzt werden muss und im Zweifel ab 22 Uhr kein Bus mehr in die Stadtteile fährt und man nach der Schicht oder dem Kinobesuch nicht mehr nachhause kommt; das Kind nicht mehr zum Fußballtraining kann. Dennoch haben wir die verschiedensten Gratis-ÖPNV-Varianten finanziell geprüft und sind eben zum Schluss gekommen, dass die hierfür aufzuwendenden Summen zu immens wären und eben jenen Angebotsausbau unmöglich werden lassen ließen. DAS unterscheidet seriöse, mitdenkende Politik vom reinen Bonbons in den Raum zu posaunen, meine Damen und Herren.

Aber Bonbons, die seriös und finanzierbar sind, wird es dennoch mit uns im kommenden Haushalt geben: Lassen Sie mich abschließend eine kleine Auswahl zum Besten geben: Wir denken schon jetzt, auch ohne MoVe35 an die schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen: Fußgänger:innen und Radfahrer:innen. So stellen wir eine halbe Million Euro zur Unterhaltung der bestehenden Fuß- und Radwege zur Verfügung und erhöhen gleichzeitig den Ansatz zum Bau von Neuen im Vergleich zu 2023, planen weiter den Radschnellweg Marburg-Gießen sowie den Umbau des Südbahnhofs oder stellen Gelder ein für Maßnahmen zur Verkehrsreduzierung für geplagte Ockershäuser Anwohner:innen. Auch für Machbarkeitsstudien in Bezug auf einen Bahnhalt Marburg Mitte und den Aufbau von Mobilstationen stecken wir weiter Geld. Mobilstationen sind hierbei ein Anfang; langfristig sind wir aber von der Sinnhaftigkeit der Errichtung von Fahrradparkhäusern am Bahnhof und am Pilgrimstein genauso überzeugt; wie von der stetigen Schaffung von Quartiersparkhäusern in Bezug auf die Entlastung und Aufwertung des oft vollgeparkten des öffentlichen Straßenraumes.

Sie sehen, meine Damen und Herren: Bei vielem schwingt MoVe35 dann irgendwie auch doch mit, wie beispielsweise bei den Quartiersparkhäusern. Aber es ist eben wichtig auch „out oft the box“ – also außerhalb von MoVe35 – kleinere Dinge, wie eben der Aufbau eines Lastenradverleihsystems, kleine Angebotsverbesserungen im ÖPNV oder der Umsetzung von noch nicht umgesetzten Maßnahmen aus dem Radverkehrsplan 2017.

Hier müssen wir auch am Ball bleiben! Denn der Klimawandel duldet kein Maßnahmenmoratorium, meine Damen und Herren! Mobil bleibt nur, wer mobil bleibt in seinem Denken, Handeln und Umsetzen meine Damen und Herren. Stillstand, liebe bürgerliche Opposition – Stichwort MoVe35-Moratorium – schafft das Gegenteil von Stillstand. Nämlich Bewegung … Bewegung in Richtung 3,0 Grad globaler Temperaturerhöhung. Und so müssen auch wir unserer schönen Stadt, weiterhin mutig sein; Veränderungen planen und umsetzen, wenn auch gleichzeitig – und das will ich auch betonen – die Bürger:innen dabei mitnehmen. Das haben wir auch schon vor MoVe35 gemacht bei weitreichenderen Kleinmaßnahmen – siehe zum Beispiel öffentliche Radverkehrsforen im EPH oder der seit Jahren aktive Fahrgastbeirat – und das werden wir als Koalition auch weiter tun! Auf ein mobiles und nachhaltiges 2024.

Vielen Dank!

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