Rede von Christian Schmidt zur aktuellen Fortschreibung des Regionalplans Mittelhessen

Frau Stadtverordnetenvorsteherin, meine Damen und Herren, liebe Gäste,

die aktuelle Fortschreibung des Regionalplans Mittelhessen steht an und die Universitätsstadt Marburg ist wie alle mittelhessischen Kommunen aufgefordert, bis heute eine Stellungnahme zum Entwurf des Regionalplans abzugeben.

Doch zu was genau wird hier nun eigentlich Stellung genommen? Viele Erwartungen und auch Befürchtungen sind da in den vergangenen Monaten vielerorts diskutiert, berechtigte Sorgen geäußert und Forderungen gestellt worden. Beim Regionalplan handelt es sich um einen übergeordneten Plan, der die Leitlinien der räumlichen Entwicklung in unserer Region, in den mittelhessischen Städten und Gemeinden, strukturiert und miteinander in Einklang zu bringen versucht. Schon der große Maßstab zeigt: Hierbei handelt es sich nicht um detaillierte Planungen für einzelne Gebiete und schon gar nicht um die Entscheidung über eine bauliche Nutzung, denn eines ist an dieser Stelle zu betonen: Der Regionalplan schafft kein Baurecht. Das erfolgt ausschließlich durch die kommunale Bauleitplanung und darüber entscheiden die Städte und Gemeinden eigenverantwortlich.

Wie gesagt: Der Regionalplan gibt grundsätzliche Entwicklungslinien auf Basis des hessischen Landesentwicklungsplans vor und eröffnet Möglichkeiten, welche die Kommunen im Rahmen der Bauleitplanung ausschöpfen können oder eben nicht, weil bspw. in der Detailbetrachtung andere Belange dem entgegenstehen.

Nichtsdestoweniger sind diese Entwicklungslinien und Möglichkeiten Vorgaben zur Raumnutzung und daher bedeutend für unsere planerischen Entscheidungen als Stadt. Im Sinne einer sozial wie ökologisch nachhaltigen Stadtentwicklung gilt es dabei die Herausforderung zu meistern, ökologische Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Klimafolgenanpassung mit den Anforderungen an eine steigende Bevölkerungszahl und daraus u.a. resultierendem Wohnraumbedarf in Einklang zu bringen. Der Regionalplan definiert erstmals Obergrenzen für die Siedlungs- und Gewerbeflächenentwicklung, um die Flächeninanspruchnahme zu beschränken. Diese Grenzen gedenken wir als Koalition in den kommenden fünfzehn Jahren nicht auszuschöpfen, um dem Ziel der Verminderung des Flächenverbrauchs Rechnung zu tragen.

In Bezug auf das Thema Siedlungsflächen folgen wir dem Prinzip „innen vor außen“. Sofern ein Eingriff in den Außenbereich dennoch notwendig sein muss, ist dieser so ökologisch verträglich wie möglich zu gestalten. Diesem Ziel tragen wir mit der Verkleinerung der Flächen am Hasenkopf auf das Mindestmaß, welches zur Realisierung des siegreichen städtebaulichen Entwurfs notwendig ist, Rechnung. Gleichzeitig soll der Biotopverbund auch regionalplanerisch gestärkt werden. Wir begrüßen die Stellungnahmen der Ortsbeiräte zum Regionalplan-Entwurf und appellieren, dass deren Anregungen für Verkleinerungen von Siedlungsflächen vom RP berücksichtigt werden. Das betrifft insbesondere Flächen in Michelbach und Schröck.

Im Rahmen unseres Änderungsantrags haben wir als Koalition beschlossen, dass nicht pauschal Eigenentwicklungsmöglichkeiten an den Rändern der bestehenden Siedlungen zu Lasten ggf. ökologischer wertvoller Freiräume gegenüber der Regionalplanung gefordert werden. Die Eigenentwicklung unserer Stadtteile soll selbstverständlich weiterhin möglich sein und sie ist es auch, aber nicht pauschal zu Lasten ökologischer Aspekte, sondern an dafür bereits im Entwurf des Regionalplans berücksichtigten Stellen. Beispielsweise das Ewige Tal in Michelbach oder auch andere sensible Bereiche an Siedlungsrändern sind durch diese Änderung der Stellungnahme daher nicht so einfach bebaubar.

Vielerorts emotional diskutiert wurde zudem die Frage der künftigen Gewerbeflächenentwicklung. Grundsätzlich gilt für die Koalition auch hier, dass weniger als die 56 ha, die zu laut Regionalplanung zustehen, in Anspruch genommen werden sollen.  Zwei Gebiete im Marburger Stadtgebiet standen in einem besonderen Fokus: Einerseits die Lahnaue und andererseits das Gebiet südlich von Moischt.

Die Lahnaue ist ein für den Hochwasserschutzes gegenwärtig unerlässliches Gebiet. Den entsprechenden Vorrang, den die Regionalplanung hier einräumt, akzeptieren und respektieren wir. Eine Festlegung als Gewerbevorranggebiet wird daher nicht angeregt. Wir GRÜNE begrüßen das sehr.

Für eine mögliche Entwicklung eines verkehrsgünstig gelegenen Gebiets schlagen wird daher den Bereich Gisselberg-Nord vor, welcher bereits im noch aktuellen Regionalplan vorgesehen war und naturschutzfachlich deutlich weniger bedenklich ist als die Lahnaue.

Die Potenzialfläche südlich von Moischt wollen wir verkleinern. Sie hat für uns keine Entwicklungspriorität. Die verkehrliche Anbindung ist unbefriedigend und in Sachen Landschaftsschutz und Ökologie ist die Fläche ebenfalls nicht gut geeignet. Wir sehen in den nächsten Jahren keinen Grund, in diesem Bereich eine Entwicklung voranzutreiben.

Ein weiteres Thema der Regionalplanung ist der Verkehr. Im Sinne einer Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs und der Erreichbarkeit unserer Stadt begrüßen wir die Festlegung eines potenziellen Bahnhaltepunkts Marburg-Mitte ausdrücklich und schlagen darüber hinaus die Festlegung entsprechender Stationen in Wehrda im Bereich des Kaufparks und in Gisselberg vor.

Meine Damen und Herren, kaum ein Regionalplan war politisch so stark diskutiert wie dieser. Zu Recht stellen viele Menschen vor dem Hintergrund des voranschreitenden Klimawandels und seiner sichtbaren und dramatischen Folgen die Frage nach Flächenverbrauch und Grundsätzen der regionalen Entwicklung im Sinne der Nachhaltigkeit.

Gleichzeitig erleben wir einen Zuzug von Menschen in unsere Stadt, sei es freiwillig aufgrund von Arbeitsplatz, Studium und weil es hier schön ist oder leider unfreiwillig, da sie vor Krieg, Leid und Tod fliehen müssen. Das Wachstum unserer Stadt gilt es daher einmal mehr sozial-ökologisch zu gestalten.

Die Stellungnahme der Universitätsstadt Marburg zum Entwurf des Regionalplans ist vor diesem Hintergrund ein Signal in die richtige Richtung und ich bitte daher um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

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