Rede von Nadine Bernshausen in der Stadtverordnetenversammlung vom 25.06.21
Es gilt das gesprochene Wort
Im Stadtparlament haben sich die GRÜNEN ein Ziel gesetzt. Nämlich diejenigen zu unterstützen, die durch die Pandemie besonders hart getroffen wurden: die Außen-Gastronomie und Schausteller*innen.
Bei aller Hemdsärmeligkeit sollte unsere Natur dabei nicht auf der Strecke bleiben. Jetzt ist kluges Abwägen gefordert.

Es sind gute Zeiten, die wir momentan erleben. Hier bei uns in Deutschland und der EU schreitet die Impfkampagne voran, die Infektionszahlen sinken und Teile des öffentlichen und privaten Lebens normalisieren sich. Wir hoffen, dass neue Virusvarianten diese Entwicklung nicht mehr torpedieren können und vor allem, dass genügend Impfstoffe für Impfwillige nicht nur in Europa und den USA, sondern rasch auch in allen Ländern zur Verfügung stehen.
In Afrika beispielsweise sind bislang nicht einmal einem Prozent der Menschen Impfangeboten gemacht worden. Das muss sich schnell ändern. Denn wir leben auf einer Welt und es ist nicht nur eine ethische und aus meiner Sicht christliche Frage, sondern es ist auch illusorisch zu meinen, wir könnten uns als sogenannte westliche Welt dauerhaft abschotten.
Die Normalisierung bei uns und die Erleichterung darüber darf nicht vergessen machen, dass die Beschränkungen viele Bereiche unserer Gesellschaft hart getroffen haben. Über die sozialen Auswirkungen haben wir bereits gesprochen, werden wir immer wieder sprechen müssen und ich denke wir sind uns alle einig, dass wir besonders für unsere Kinder und Jugendlichen eine große Verantwortung haben, die Folgen der Corona-Krise auch mit einem relevanten finanziellen Einsatz auf ein Minimum zu begrenzen.
Aber wir müssen auch die wirtschaftlichen Bereiche unserer Gesellschaft, die hart getroffen wurden, in den Blick nehmen. Für viele Gastwirt*innen und Schausteller*innen kamen die Beschränkungen einem Berufsausübungsverbot gleich und die staatlichen Hilfen konnten viele Einbrüche nur unzureichend oder gar nicht auffangen.
Deshalb sollten wir jetzt gemeinsam, wo die gastronomischen Einrichtungen wieder geöffnet haben, nach unkomplizierten, für dieses und vielleicht noch das nächste Jahr zeitlich befristeten Möglichkeiten suchen, unkonventionelle gastronomische Angebote zu machen.
Die Menschen, wir alle, wollen wieder gemeinsame Geselligkeit, wollen Feste und Aktionen erleben. Die Gastronominnen und Gastronomen wollen wieder loslegen und freuen sich, dass die Menschen wieder zu ihnen kommen dürfen. Niemand will allzu großer Sorglosigkeit das Wort reden, aber gerade die Angebote im Außenbereich sind auch unter allen bekannten epidemiologischen Faktoren besonders geeignet, um Infektionsgefahren gering zu halten.
Daher sollten dort, wo es machbar ist, auch unkompliziert Möglichkeiten geschaffen werden. Natürlich müssen wir darauf achten, dass Zu- und Durchfahrtsmöglichkeiten für unsere Busse und unsere Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen gesichert sind. Doch darüber hinaus sollten wir unbürokratisch handeln, damit den Menschen wieder Begegnungen ermöglicht werden, die unter den Beschränkungen der Pandemie besonders gelitten haben. Das wäre eine gute Basis für einen starken Neustart.
Besonders gilt dies auch für die Schaustellerbetriebe, für die mit Corona ja plötzlich alles weggebrochen ist. Diese in den meisten Fällen familliengeführten Kleinunternehmen haben unsere besondere Unterstützung verdient, weil große Veranstaltungen und Volksfeste ohne sie nicht denkbar sind. Wir können froh sein über jeden Schaustellerbetrieb, der diese existentielle Krise überlebt und so weiter vielen Menschen Arbeit gibt. Deshalb sollten auch hier bis in das kommende Jahr hinein unkompliziert und unbürokratisch Möglichkeiten geschaffen werden, Verkaufsstände und Imbisse im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten aufzustellen.
Allerdings muss es uns allen, spätestens nach dem einstimmigen Beschluss der Marburger Stadtverordnetenversammlung zur Klimaneutralität und dem im Deutschen Bundestag verabschiedeten Klimaschutzgesetz, ein Anliegen sein, künftig bei jeder Maßnahme, so auch in dieser Ausnahmesituation, Umwelt und Klima mitzudenken.
Dabei darf es niemals um ein Gegeneinander, weder von gesellschaftlichen Gruppen, noch von Ökonomie und Ökologie gehen. Denn diese bedingen sich, dass ist dem Großteil der Wirtschaft längst klar geworden. Es geht immer darum, in Verantwortung vor der Umwelt, der Schöpfung zu handeln, weshalb wir uns bei allem fragen müssen, ob wir bestimmte Eingriffe vornehmen können und dürfen, insbesondere wenn es sich um irreversibele Eingriffe in Biotopenverbünde handelt oder ob es kompensationsfähige oder reversibele Eingriffe sind, die mit moderner Technik oder bestimmten Auflagen auf ein Mindestmaß beschränkt werden können.
Und so ist es wichtig, dass ökologisch und naturschutzrechtlich sensible Bereiche für bestimmte Arten der Nutzungen nicht oder nur besonders behutsam in Betracht kommen. Allzu unsensibles und hemdsärmeliges Vorgehen würde unser aller Bestreben, Natur- und Klimaschutz einen hohen Stellenwert einzuräumen, zuwiderlaufen; zum anderen müssen wir bei aller Hemdsärmeligkeit, die wir hier bewusst vorschlagen, um Dinge möglich zu machen, auch darauf achten, die Akzeptanz der Bevölkerung nicht zu verlieren. Deshalb sollten solche Bereiche wie z.B. die Lahnauen auch in dieser Ausnahmesituation auch nicht zeitlich befristet für besonders intensive Beanspruchung nicht vorgesehen werden. Hierfür besteht auch keine Notwendigkeit. Wenige Meter entfernt finden sich häufig befestigte Flächen im Straßenraum oder andere öffentliche Bereiche, die ohne solche Konflikte für Buden oder Außengastronomie genutzt werden können.
Wir hoffen, dass wir damit ein gutes Zeichen setzen und gute Möglichkeiten für Gastronomie und Schaustellerbetriebe schaffen können, denn wir wollen alle wieder zu einem normaleren Alltagsleben zurückzukehren. Das wünschen wir uns alle!
Verwandte Artikel
Große Anfrage der Fraktion B90/Die Grünen betr. Versorgung von asylsuchenden bzw. geflüchteten Menschen mit Wohnraum in Marburg und Unterstützung ihrer Integration durch angemessene Maßnahmen
1. Wie viele geflüchtete bzw. asylsuchende Menschen hat die Stadt Marburg seit 2015 bis einschließlich Oktober 2022 aufgenommen?
Seit dem 01.01.2015 bis Oktober 2022 hat die Stadt Marburg mehr als 5.600 Menschen mit Fluchthintergrund aufgenommen. Davon sind derzeit noch 3.680 Personen in der „A-Datei“, also aktiv, rund 2000 Personen sind verzogen (Inland oder Ausland) oder wurden eingebürgert.
2. Wie viele davon waren unbegleitete Minderjährige, Einzelpersonen (m/w/d), Alleinerziehende mit Kindern, Paare, Familien mit Kindern, Menschen mit körperlichen, seelischen oder anderen Beeinträchtigungen und aus welchen Herkunftsländern kommen sie?
Vom 01.11.2015 bis 31.10.2022 sind insgesamt 147 unbegleitete Minderjährige seitens des Fachbereichs Jugend aufgenommen worden. 34 Personen kommen aus Afghanistan, 3 aus Albanien, 1 aus Äthiopien, 6 aus Eritrea, 5 aus dem Irak, 10 aus Marokko, 8 aus Pakistan, 1 aus der palästinensischen Autonomiebehörde, 14 aus Somalia, 31 aus Syrien, 1 aus der Türkei, 30 aus der Ukraine und 3 aus Vietnam.
Weiterlesen »
Machbarkeitsuntersuchung für eine alternative Trinkwasserversorgung für den Stadtteil Michelbach
Der Magistrat wird gebeten – ggf. in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Marburg – eine Machbarkeitsstudie erstellen zu lassen, mit welcher geklärt wird, auf welchem Wege, in welcher Art und Weise und zu welchen Kosten eine alternative Trinkwasserversorgung für den Stadtteil Michelbach, erforderlichenfalls auch mit zusätzlichen Leitungen hergestellt werden kann.
Weiterlesen »
Rede von Christian Schmidt zur aktuellen Fortschreibung des Regionalplans Mittelhessen
Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
meine Damen und Herren, liebe Gäste,
die aktuelle Fortschreibung des Regionalplans Mittelhessen steht an und die Universitätsstadt Marburg ist wie alle mittelhessischen Kommunen aufgefordert, bis heute eine Stellungnahme zum Entwurf des Regionalplans abzugeben.
Doch zu was genau wird hier nun eigentlich Stellung genommen? Viele Erwartungen und auch Befürchtungen sind da in den vergangenen Monaten vielerorts diskutiert, berechtigte Sorgen geäußert und Forderungen gestellt worden. Beim Regionalplan handelt es sich um einen übergeordneten Plan, der die Leitlinien der räumlichen Entwicklung in unserer Region, in den mittelhessischen Städten und Gemeinden, strukturiert und miteinander in Einklang zu bringen versucht. Schon der große Maßstab zeigt: Hierbei handelt es sich nicht um detaillierte Planungen für einzelne Gebiete und schon gar nicht um die Entscheidung über eine bauliche Nutzung, denn eines ist an dieser Stelle zu betonen: Der Regionalplan schafft kein Baurecht. Das erfolgt ausschließlich durch die kommunale Bauleitplanung und darüber entscheiden die Städte und Gemeinden eigenverantwortlich.
Weiterlesen »