Gesund leben in Marburg

Gesundheitsversorgung ist als Teil der Daseinsvorsorge eine wichtige öffentliche Aufgabe. Hierfür ist die Bereitstellung eines adäquaten niedrigschwelligen Zugangs und eine gute Erreichbarkeit für alle eine unabdingbare Voraussetzung. Die öffentliche Hand gemeinsam mit den Anbieter*innen von Gesundheitsleistungen hat dafür Sorge zu tragen. Gleichzeitig sind wir alle auch für unsere Gesundheit selber verantwortlich und müssen als mündige Patient*innen durch ausreichende Informationen die Möglichkeit haben, auf Augenhöhe mitzuentscheiden. Grundlage dafür ist eine gute Gesundheitskompetenz. Diese Kompetenz beschreibt alltagspraktisches Wissen und Fähigkeiten im Umgang mit Gesundheit und Krankheit, die primär über Kultur, Bildung, Erziehung und Herkunftserfahrung vermittelt bzw. weitergegeben werden.

Unser Marburger Universitätsklinikum stellt gemeinsam mit dem Diakoniekrankenhaus in Wehrda die stationäre Grundversorgung in der Region um Marburg sicher. Gleichzeitig ist das Universitätsklinikum Ort der Maximalversorgung und Spitzenmedizin, aber auch Ausbildungsstätte für angehende Ärzt*innen, Pflegende, Physiotherapeut*innen und etliche andere Berufsgruppen.

Durch das gegenwärtige Finanzierungssystem ist es den Kliniken nahezu unmöglich, kostendeckend zu arbeiten. Hier sehen wir die Bundesebene in der dringenden Pflicht, die Kliniken besser auszustatten und so das Kliniksterben zu beenden. Wir halten die Privatisierung des Marburger Uniklinikums unter der damaligen Landesregierung von Roland Koch nach wie vor für falsch. Die Übernahme durch den Asklepios-Konzern werden wir kritisch begleiten. Dringend notwendig sind Pflegeschlüssel, um eine gute medizinische Versorgung zu gewährleisten. Gerade in der Zeit der Pandemie zeigt sich, dass an der personellen Ausstattung der Kliniken gespart wurde und dadurch der Versorgungsauftrag immer wieder gefährdet ist.

Den eigentlichen Versorgungsauftrag hat der Landkreis Marburg-Biedenkopf. Aber auch die städtische Ebene kann und muss einen Beitrag dazu leisten, die Versorgung sicherzustellen. Eine gute Verzahnung der Versorgung von Kranken und Bedürftigen ist wesentlicher Bestandteil des Behandlungserfolgs. Wir wollen eine bessere Vernetzung und Zusammenarbeit der verschiedenen Versorgungssäulen – zwischen ambulanter und stationärer Ebene sowie zwischen den verschiedenen Gesundheitsfachberufen. Hier sollte der Dialog fest institutionalisiert werden.

Gerade außerhalb der Praxisöffnungszeiten bestehen oft große Unsicherheiten, wer nun der/die richtige Ansprechpartner*in für gesundheitliche Sorgen und Probleme ist. Diese Situation hat sich in der Pandemie noch verstärkt – bis hin zu Befürchtungen, vielleicht gar keine medizinische Versorgung zu erhalten. Hier bedarf es mit städtischer Unterstützung besserer Aufklärung der Menschen, welche Stelle der Versorgung für sie die Richtige ist.

Wir fordern, in den Einrichtungen für Geflüchtete die Gesundheitsberatung zu verbessern – auch mit Hinblick auf notwendige Impfungen – und den Zugang zu einer guten Krankenversorgung sicherzustellen. Dies beinhaltet für uns elementar neben der somatischen auch eine psychotherapeutische Versorgung dieser so oft schwer traumatisierten Menschen. Unsere eigene Vergangenheit hat uns hier gelehrt, welche Auswirkungen Kriegstraumata auf die direkt Betroffenen und die folgenden Generationen haben.

Wir haben in Deutschland prinzipiell eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, doch es gibt auch bei uns Menschen, die durch das Netz fallen und keinen direkten Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Hier möchten wir, dass in Marburg eine Clearingstelle mit einer ärztlich geleiteten Sprechstunde für Menschen im Asylverfahren, Menschen mit aufenthaltsrechtlicher Duldung und Menschen mit abgelaufenem Aufenthaltstitel und sogenannte Illegalisierte geschaffen wird.

Für ältere und alte Menschen gilt: Daheim statt im Heim. Die stadtteilbezogene und quartiersbezogene Unterstützung, um in eigener Häuslichkeit zu verbleiben, beinhaltet Angebote der Wohnraumversorgung, altersgerechtes Umbauen und neue Wohnformen. Eingerichtet werden sollten niedrigschwellige Betreuungsangebote, Alltagsbegleiter*innen, eine barrierefreie und bewegungsfördernde Gestaltung des öffentlichen Raumes und die Bewegungs- und Mobilitätsförderung älterer Menschen.

Wir wollen die Gesundheitsförderung und Prävention lebensweltbezogen gestalten – z.B. in den Kindergärten und Schulen. Krippen und Kindergärten sollen als Familienzentren für die Eltern Möglichkeiten bieten, in den Austausch über verschiedene Themen wie Erziehungsfragen, Ernährung, Medienkonsum und die Wichtigkeit des freien Spieles zu kommen. Wir wollen partizipative Konzepte, z.B. einen „Naschgarten“ oder „Grün macht Schule“ mit der aktiven Einbeziehung der Kinder an der Schulhof- und Spielraumgestaltung fördern.

Auch Bewegung wollen wir durch stadtteilbezogene, gesundheitsfördernde Netzwerke in den Lebens- und Sozialräumen von Bewohner*innen fördern. Hier möchten wir an den von der Initiative „Gesundheit fördern – Versorgung stärken“ geschaffenen Strukturen andocken.

Schwangere müssen ihren Geburtsort frei und selbstbestimmt wählen dürfen. Dass nach dem Aus der Geburtshilfe im Krankenhaus Biedenkopf dieser Bereich nun auch im Diakonie-Krankenhaus Wehrda geschlossen wurde ist ein schwerer Verlust für die Region. Neben der Geburt in der Klinik müssen auch Geburten zu Hause oder in Geburtshäusern möglich sein. Die weiter steigenden Haftpflichtprämien erschweren den freiberuflich in der Geburtshilfe tätigen Hebammen den Beruf enorm. Mittlerweile wurde hier auf Bundesebene durch den Sicherstellungszuschlag zwar Entlastung geschaffen, trotzdem nimmt der Hebammenmangel vielerorts zu. Hier sehen wir weiterhin die Bundesebene in der Pflicht, den Hebammen eine finanzielle auskömmliche Arbeit und den Frauen eine freie Wahl des Geburtsortes zu ermöglichen. Solange die Bundesebene hier keine Regelung bereithält, ist die Kommune aufgefordert, die Hebammen finanziell zu unterstützen.

Wir GRÜNE wollen:

  • Sicherstellung einer gut zugänglichen, wohnortnahen hausärztlichen Versorgung;
  • Standortstärkung der Marburger Kliniken;
  • bessere Verzahnung der stationären und ambulanten Versorgung;
  • Unterstützung der Palliativmedizin und der häuslichen Sterbebegleitung;
  • Schaffung einer Clearingstelle für Menschen ohne Zugang zum Gesundheitssystem;
  • Programme für Kinder in Schulen und Kindertagesstätten zur Bewegungsförderung;
  • finanzielle Unterstützung von Hebammen;
  • im Rahmen geschlechtsspezifischer Gesundheitsangebote eine Aufklärungskampagne zum Thema Männergesundheit.